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Rassismus III


Harry Benz lebt mit seiner Frau Elli und Tochter Lilli in Hamburg-Horn. Lilli geht noch zur Schule und ihr gemeinsames großes Glück ist Ben, ein Labrador-Mix, groß und kräftig, kurzhaarig und sehr beeindruckend jedenfalls für die, die eigentlich keine Beziehung zu Hunden und ehrlicherweise Angst vor ihnen haben. Ben kam als Welpe zu Familie Benz .

Aber seit Jahren spürten Harry, Elli und Lilli etwas stetig Wachsendes und Beunruhigendes: Häufig wechselten Menschen, die ihnen bei ihren Spaziergängen mit Ben entgegenkamen, die Straßenseite. Auch Hundebesitzer machten das - immer öfter. Lilli rief ihnen dann entgegen: „Ben tut nichts – er ist ganz lieb!“ Aber das nützte wenig, und Lilli kam oft traurig vom Spaziergang mit Ben nach Hause. Sie sagte dann: „ Ich glaube, die Leute hier mögen uns nicht.“

Irgendwann wurde sie im naheliegenden Park von einem alten Mann angeschrien: „Nimm gefälligst Deine Thöle hier weg! Kampfhunde haben in Hamburg nichts zu suchen.“ Und er murmelte etwas von „Polizei holen“. „ Leute wie Euch hätte man früher vergast und Eure Thöle gleich mit!“ rief er ihr nach. Inzwischen mochte Lilli nur noch nachts mit Ben spazierengehen. Und sie hatte Angst.

Harry Benz hatte einige Tage Urlaub und ging mit Ben nachmittags durch die Straßen in seinem Wohngebiet. Zwei Männer in uniformähnlicher Kleidung hielten ihn an und wiesen sich aus als Mitarbeiter des Ordnungsdienstes. Sie überprüften Bens Chipnummer und einer sagte plötzlich: „Das ist ein Kampfhund“. Harry Benz blieb nichts übrig als zu sagen „Das ist Quatsch“. Und er ging entnervt nach Hause.

Drei Tage später erhielt Familie Benz ein Schreiben des Bezirksamtes Mitte, unterzeichnet von Frau Beran-Vasiljevic, in welchem zu lesen war, es bestehe der Verdacht, Ben sei ein gefährlicher Hund, dessen Haltung in Hamburg ohne eine besonderen behördliche Genehmigung verboten sei. .

Harry Benz wurde aufgefordert, Ben einem Tierarzt vorzustellen, der eine „Rassebestimmung“ vornehmen sollte. Im Verweigerungsfall wurden ihm gleich ein Bußgeld und die „Einziehung“ von Ben angedroht.

Harry Benz ging zu seinem Tierarzt, zu dem Tierarzt, über dessen Vermittlung er vor Jahren Ben bekommen hatte. Der bestätigte, dass Ben ein Alano-Labrador-Mix sei, denn ihm seien ja auch die Elterntiere bekannt. Dieses Schreiben sandte Benz an das Bezirksamt Mitte und er erhielt postwendend eine Antwort: Er hätte ein plausibles Rassegutachten vorzulegen, aus welchem die Rasse bzw. die Rasseanteile hervorgingen.

Mit diesem Schreiben ging er zu seinem Tierarzt, der ihm erklärte, dass eine etwaige Rassebestimmung des Hundes purer Blödsinn sei. Man könne zwar Vermutungen anstellen, aber eine wissenschaftliche Grundlage für eine Rassebestimmung gäbe es nicht. Und er würde sich auch weigern, unwissenschaftliche Methoden anzuwenden, die bei den Nazis üblich waren: Rassebestimmungen nach dem Phänotyp seien völlig willkürlich und öffneten einem widerwärtigen Rassismus die Tür.

Benz wandte sich an die Tierärztekammer Hamburg. Dort teilte man ihm mit, man wisse nicht, wer Rassegutachten erstellen würde.

Die Zeit drängte. Das Bezirksamt hatte ihm eine Frist für die Hergabe einer plausiblen Rassebestimmung genannt – nach deren Ablauf sein Hund beschlagnahmt werden würde.

Und der Tag kam. An einem Morgen standen vier Männer vor der Tür der Familie Benz. Polizei war auch angerückt. Ben bekam eine Schlinge um den Hals und wurde in ein Fahrzeug des Bezirksamtes Mitte verladen, das ihn in den so genannten Hamburger Tierschutzverein, Süderstraße 399, 20537 Hamburg brachte.

Benz wandte sich an einen Rechtsanwalt, der 500 Euro Vorkasse haben wollte, wenn er sich um die Herausgabe von Ben kümmern sollte. Es kam zu einer Klage gegen das Bezirksamt Mitte vor dem Verwaltungsgericht. Nach fast zwei Jahren konnte Benz seinen Hund wieder nach Hause holen. Ben sah schlimm aus. Er war stark abgemagert, sein Fell war stumpf und sein Gebiss war durch ständiges Beißen in die Gitterstäbe seines Käfigs vollständig ruiniert.


Die Geschichte ist wahr. Lediglich der Name der betroffenen Familie wurde geändert.

Dirk Schrader, Hamburg

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